Freitag, 7. Februar 2014

Flappy Bird - Masochismus to go

Der mobile Games-Markt ist eine Branche, in der ich mich schon seit einigen Jahren beruflich bewege. Ich finde, es ist ein enorm spannendes, weil schnelllebiges Feld. Einige der Trends sind begrüßenswert, wieder andere empfinde ich als bedenklich. Dann gibt es aber dann und wann Phänomene, die sich mir überhaupt nicht erschließen.

Mittels Werbebanner 50.000 $ pro Tag?

Vor ungefähr einem Jahr gab es einen ziemlichen Hype um das bockschwere Geschicklichkeitsspiel "Super Hexagon", das mit einem Minimum an Aufwand ein funktionierendes und irgendwie süchtig machendes Spielerlebnis auf Smartphones gezaubert hat. Dennoch habe ich (objektiv betrachtet) viel bessere Spiele scheitern, bzw. sang- und klanglos im App Store untergehen sehen. Damals fragte ich mich schon, warum gerade um dieses Spiel ein solcher Hype entstehen konnte. Immerhin erschien es relativ stylisch und stilsicher und konnte auch bei mir zumindest kurzfristig einen Sog erzeugen. Dieses "ein Spiel noch"-Phänomen.

Die grünen Röhren... Ob die Ähnlichkeit wohl zufällig ist? 

Gestern aber habe ich mir ein Spiel namens "Flappy Bird" auf mein iPhone geladen. Es war kostenfrei und darauf aufmerksam wurde ich, weil es sich auf dem ersten Platz der kostenfreien iPhone-Apps befand. Die Screenshots wirkten erst mal abschreckend, erinnerten sie mich doch an eine lieblos zusammengeklaute Pixel-Collage. 

Ich probierte das Spiel aus und war halbwegs entgeistert. Man steuert einen Pixelvogel durch Berühren des Touchscreens durch eine unendliche Anzahl von Toren, die aus Röhren bestehen, die aussehen, als wären sie aus Super Mario Bros kopiert. Es handelt sich also um einen Endless-Runner der aller-, aller-, allereinfachsten Sorte. Für jedes durchflogene Tor gibt es einen Punkt, das Aufstellen eines Highscores wird aber auch durch eine Kollisionsabfrage aus der Hölle erschwert. Selbst der Font, mit dem der Titel oder auch das "Game Over" erstrahlen erinnert an ein anderes (viel besseres) Spiel, nämlich Grand Theft Auto. Kann natürlich auch Zufall sein, nur glaubt das Jemand in diesem Zusammenhang ernsthaft?

Viel interessanter als das (offensichtlich / hoffentlich) gehackte Leaderboard ist die Spielerzahl!

Nach einigen ernüchternden Versuchen warf ich Google an, um mehr herauszufinden und war erstaunt, jede Menge Berichte zu finden. Auf den unterschiedlichsten Webseiten. So berichtet auch sueddeutsche.de über das Spiel und versucht den Erfolg zu erklären. Dabei beschreiben sie einfach Mechanismen, die jeder Endless Runner nutzt. Von denen gibt es im App Store ganz viele und fast alle sind (auch nach objektiven Maßstäben) besser. Ganz frisch war auch zu lesen, dass der Entwickler das Spiel in 3 Nächten zusammengeschustert hat und allein durch Werbung 50.000 $ pro Tag verdient (mal wieder so eine Goldgräber-Erfolgsgeschichte des App Stores, die es früher viel öfter gab). Auf youtube gibt es Videos, die den Frust der Spieler zeigen, wenn sie unweigerlich scheitern. 

Das kann man dann wohl guten Gewissens unter dem Stichwort "Phänomen" zusammenfassen. Und während ich oft genug Trends bestätigt sehe, erschließt sich mir der Erfolg von "Flappy Bird" überhaupt nicht. Es gibt wohl sogar Spekulationen, dass da nicht alles mit rechten Dingen zuging, doch an denen will ich mich überhaupt nicht beteiligen. Es ist einfach erstaunlich, wie viele Menschen ausgerechnet dieses Spiel spielen. Es zwingt sie ja auch niemand. Das ist halt Masochismus to go und damit ist noch nicht mal nur der Schwierigkeitsgrad gemeint. Einerseits freue ich mich ja auch, dass ein Mobile Game den Weg in die Massenmedien findet, aber dass es ausgerechnet eines vom "Kaliber" eines Flappy Bird sein muss, ist dann doch ein Wermutstropfen.

Zu sehen, dass immer mal wieder etwas Unvorhergesehenes passiert, Dinge, die ich nicht verstehe, freut mich aber. Denn sie machen die Branche wirklich spannend. Unberechenbar, aber auch aufregend. Und deswegen finde ich sie so interessant und freue mich, dass ich mich in ihr bewegen darf.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen